Mehr als ein Märchen


 

 

Liebe Lovebirds,

ich bin jemand, der an Märchen glaubt. Selbst wenn ich weiß, dass es sie nicht gibt (zumindest keine sprechenden Tiere – wobei, der Papagei …), willwillwillwillwill ich daran glauben, dass es da draußen Prinzen und Ritter und Königinnen gibt. Märchen stecken ganz tief in mir drin. Sie sind quasi in meiner DNA verankert. Ich erinnere mich daran, wie ich als kleines Mädchen immer wieder mein Märchenbuch ausgepackt, die wunderschönen Zeichnungen bestaunt und die Geschichten geliebt habe. In Märchen steckt so vieles – sie sind archetypische Narrative, also Erzählungen, die der kollektiven Menschheitsseele entspringen. Und Motive aus dem Märchen, wie der Dornröschenschlaf, tauchen immer wieder auf. Sogar bei Avicii, wenn es in einem seiner bekanntesten Songs heißt: „So wake me up when it’s all over, whem I’m wiser and I’m older.” Nun, eines der letzten größten, populärsten Märchen war die Hochzeit von Prince Harry und Meghan Markle 2018. Da waren dieser junge Prinz, den wir als wild, unkonventionell, frech und vor allem herzensgut kannten, und die bildschöne Schauspielerin – und die ganze Welt jubelte ihnen zu. Ich dachte, Hut ab, das können die Royals: einzigartige Hochzeiten feiern. Aber dann … das Märchen nahm ein jähes Ende, so schnell schon, keine zwei Jahre später. Jetzt lese ich, sie treten als „Senior Royals“ zurück, fliehen nach Kanada, wollen finanziell unabhängig sein. Ich weiß nicht, wie es Euch dabei geht. Aber ich fühle … Traurigkeit. Enttäuschung. Sind die alten Institutionen wie die Monarchie nicht, selbst wenn man sie zu Recht kritisieren kann, doch auch etwas Schönes? Wohnt ihnen nicht ein Versprechen der Stabilität inne? Ich kann verstehen, dass ein Palast ein goldener Käfig sein kann; dass man glücklich sein, sein eigenes Leben führen muss. Dass man mit Konventionen auch brechen soll, wenn sie nicht stimmig sind. Würde man mit einer Prinzessin wirklich tauschen wollen? Lady Diana hat gezeigt, dass kein Diadem der Welt Tränen wegzaubern kann. Aber das, was jetzt in England passiert, ist doch etwas anders. Und es hinterlässt bei mir ein ungutes Gefühl. Warum? Eine Abspaltung von der Familie, wie sie Prince Harry vollzieht, kann, so glaube ich, niemals gut sein. Wenn wir einen Partner auswählen, so wählen wir immer auch seine ganze Herkunft. Ich denke, dass das alte Sprichwort – ob es uns gefällt oder nicht – stimmt: Man heiratet stets eine ganze Familie. Ich bin eine große Befürworterin der Familie. Wer hält uns, wenn alle Stricke reißen? Wer nimmt uns auf, wenn wir alleine sind? Wohin können wir immer wieder zurückkehren? Gewiss, nicht alle Familien sind heil. Aber es gibt doch, zum Glück, in den allermeisten eine Liebe, die überdauert. Es ist das besagte Blut, das oftmals dicker als Wasser ist.

Prince Harry sah einst glücklich aus. An der Seite seines Bruders und dessen Frau Catherine wirkte er heiter. Versöhnt mit seiner Rolle als Prinz, die er wohl nie wollte, die jedoch sein Schicksal ist. Können wir unserem Schicksal entgehen? Ich fürchte, wir können uns nur dagegen aufbäumen. Am Ende gehen wir vielleicht viele Tausende von Meilen, um schließlich zu erkennen, dass wir doch immer nur wieder zum Ursprung zurückkehren. Nun wirkt der englische Prinz verbittert. Man kann ihm nur alles Gute wünschen. Und dass der von ihm gewählte Weg der Unabhängigkeit tatsächlich der bessere ist.

Doch ich spüre in mir eine warnende Stimme, die mir sagt: Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Wer war noch nie genervt von seiner Schwiegermutter? Dem ollen Onkel? Der nervigen Schwester? Aber gehören sie nicht dazu? Lieben wir sie nicht, auch wenn sie uns manchmal zur Weißglut treiben? Seine eigene Familie kann man sich nicht aussuchen. Die, in die man einheiratet, schon. Nochmals, Ihr Lieben: Wählt weise. Denn Beziehungen können enden. Verwandtschaft jedoch bleibt.

Eure Julia

 

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