Liebe Lovebirds,

ich liebe Filme! Nach einem anstrengenden Tag gibt es für mich kaum etwas Gemütlicheres als einen entspannten Abend auf der Couch. Zu zweit ist das natürlich noch viel schöner – mit dem Liebsten eine tolle Serie gucken macht nicht nur Spaß, sondern verbindet auch. Warum? Weil uns Geschichtenzusammenführen. Wir uns gemeinsam in die Szenerien, Handlungsstränge und fremden Welten hineinträumen können. Weil wir gedanklich mitspielen können. Weil die Wahl unserer Lieblingsfilme viel über uns selbst aussagt. Und weil wir aus Filmen viel lernen können: zum Beispiel, wie die Liebe heute funktioniert.

Tatsächlich sind viele Filmer Drehbücher der Liebe. Und, leider, auch der Trennung. Ein Film wirkt bei mir gerade ganz besonders nach: Marriage Story mit Scarlett Johansson und Adam Driver. Ich wollte ihn gar nicht anschauen. Wirklich nicht. Ein Film über eine Scheidung? Wo soll da das Happy End sein? Muss man sich sowas antun? Ich hab’s getan – weil ich so viel darüber gelesen hatte und sich bei mir ein seltsamer Effekt eingestellt hat, den ich schon von anderen Medienphänomenen kenne: Gegen Hypes sträube ich mich zunächst bitterlich. Fifty Shades? Wollte ich NIE lesen! Und dann kommt der Punkt, an dem ich mir denke, dass ich zumindest mitreden können sollte. Tja, und ich lese und gucke doch … also jetzt, Marriage Story: Die Schauspielerin Nicole will sich von ihrem Mann Charlie, einem Theaterregisseur, scheiden lassen. Beide leben in New York, wo Charlie Erfolge feiert, bald steht sein Broadway-Debut an. Nicole aber will zurück in ihre Heimat L.A. – einer der Hauptkonfliktpunkte in der Ehe. Nicole fühlt sich aber auch als Künstlerin nicht ernstgenommen, sie meint, in Charlies Schatten zu stehen. Nun ihre Chance, ein Rollenangebot für eine Serie in L.A. Die Trennung geht ganz klar von ihr aus. Der gemeinsame Sohn Henry gerät natürlich in den Fokus – wie kann geteiltes Sorgerecht gutgehen, wenn beide in getrennten Städten, noch dazu so weit voneinander entfernt, leben? Charlie nimmt sich eine Wohnung in L.A., ihm dabei zuzusehen, wie er die leblosen Wände mit Kinderzeichnungen zu verschönern versucht, tut weh. Überhaupt tut der ganze Film weh, er ist eine tour de force und er hat mir nicht gutgetan. Nicole nimmt sich eine Kampfanwältin und Charlie, der es zunächst mit einem Anwalt, der Mensch geblieben ist, versucht, schwenkt schon bald ebenso um und nimmt sich einen Pitbull, der ihn vertritt. Da sehen wir dann zwei Menschen, die sich einst geliebt haben, vor Gericht. Nicht sie sprechen miteinander, sondern sie lassen andere für sich sprechen, nein: kämpfen, nein: sich bekriegen. Es ist entsetzlich. Ich habe mich elend gefühlt und dennoch weitergeschaut. Es war eine Schockfaszination: Was können wir einander nur alles antun. Ich musste innhalten. Die Tür aufmachen. Frische Luft schnappen. Ich habe gespürt: Man kann bei einer Scheidung kein unparteiischer Beobachter sein. Man sympathisiert immer mit einer Seite. Und eine Scheidung ist immer traurig. Viel trauriger als nur eine Trennung. Sie geht tiefer. Ist folgenschwerer.

Aus dem Film konnte ich jedoch für mich eine Konsequenz ziehen: Aus Liebe darf nie Krieg werden. Keine Trennung darf auf einem Schlachtfeld stattfinden. Wo Liebe war, soll niemals Hass entstehen. Das sind sich Paare einander schuldig. Ist das zu schaffen? Ja, ich will daran glauben. Wenn wir stets das Bewusstsein kultivieren, dass wir für jede schöne gemeinsame Zeit dankbar sein müssen. Dass sich Dinge im Guten, mit Respekt lösen lassen. Dass es die Chance auf Frieden gibt, selbst da, wo Trauriges passiert.

Am Ende von Marriage Story gibt es jedoch eine berührende Szene, die ich Euch nicht vorenthalten will: Nicole und Charlie sind geschieden, er holt das Kind ab, trägt es über die Straße. Und Nicole? Läuft nochmal zurück, weil sie gesehen hat, dass Charlies Schnürsenkel offen sind. Sie kniet sich nieder, bindet sie zu. Ich war tief bewegt. Es hat mir Hoffnung gegeben: Im zutiefst Vertrauten wird immer Liebe sein. Sie wird bleiben. Und voreinander niederknien – aus tiefstem Respekt – sollten wir alle viel öfter.

Eure Julia