Ich fühle mich in meiner Beziehung bei Konfliktsituationen tendenziell unterlegen, schnell überfordert, und gebe daher zu oft klein bei, aus Angst, die Nähe meiner Partnerin zu verlieren.

 

Ralf

 

Lieber Ralf,

es ist eine verbreitete Tendenz, in Partnerschaften: ‚falsche Kompromisse‘ aus Verlustangst einzugehen, oder auch nur einer Idee von ‚Frieden‘ willen, die das Themenfeld ‚Konflikt‘ möglichst ganz auszusparen sucht.

 

Mit ‚falschen Kompromissen‘ meine ich Zugeständnisse, die sich in Widerspruch zu unserem Empfinden setzen. Dessen Verleugnung wird sich jedoch früher oder später rächen, nicht nur an uns selbst, sondern auch an der Beziehung. Denn sie gleichen Zeitbomben, welche die Saat der Unzufriedenheit in uns legen, die dann verzögert, und an unpassender Stelle aufblüht, dort die Bombe zündet, deren Entladung dann nur noch destruktiv ist, weil sie unangemessen heftig ausfällt, nichts mehr zur Klärung des ursprünglichen Problems beiträgt, und uns rückwirkend auch damit noch in’s ‚Unrecht‘ zu setzen scheint.

Verantwortlich dafür sind wir aber selbst, nicht die Partnerin. Und ich rate, anstatt sich darüber zu ärgern, lieber sich mit den eigenen Verlustängsten ehrlich auseinanderzusetzen, die ja immer die unseren sind, und ohnehin nichts mit der Partnerin zu tun haben, außer vielleicht, dass sie diese durch ihre Verhaltensmuster immer wieder auslöst. Denn wir hatten diese Ängste ja schon, bevor wir sie kennenlernten. Und jede Beziehung ist ein Spiegel.

Im Grunde schwächen wir mit Strategien der Selbstverleugnung in Konflikten aber nicht nur die Beziehung, sondern auch unsere Intuition und tiefere situative Wahrnehmung. Oder um es brutal auszudrücken, sie machen uns zu einem unglaubwürdigen Ja-Sager, der auch das Vertrauen der Partnerin in die eigene Authentizität und Verlässlichkeit untergräbt (eine absolute Lose-Lose-Situation). Denn jede Beziehung lebt davon, dass wir für unser Gegenüber greif- und spürbar sind, als der wirkliche Mensch, der zumindest potenziell in uns steckt. Nur so kommen wir auch in unsere innere Kraft, UND werden wieder interessant für die Partnerin. Eine solche Kultur bestärkt dann ebenso diese, zu sich stehen zu lernen. Denn darin liegt eine Einladung zu beidseitiger Selbst-Ermächtigung – in Verbundenheit, was der Liebe immer förderlich ist. Doch auch das kann Ängste wecken, die jedoch nur der gleichen Wurzel entwachsen, der Furcht vor Verlust und Verlassen-Werden.

Wenn ich mich aber entscheide, Verantwortung für meine Ängste und Emotionen zu übernehmen, ziehe ich den Problemfokus automatisch von meiner Partnerin ab, und entlaste allein schon dadurch die Beziehung. Natürlich lebt jedes Paar-Sein auch von Kompromissen, die wir aber nur wirklich eingehen können, wenn sich beide Seiten ihrer jeweiligen Bedürfnisse klar sind und diese ehrlich kommunizieren, OHNE einander manipulativ als deren Erfüllungsgehilfen zu instrumentalisieren und zu missbrauchen.

 

MANTRA: Seien wir uns immer bewusst: Wir werden den Partner niemals verändern, besitzen aber immerzu alle Macht und Freiheit, an uns selbst zu arbeiten, auch in unserer aktuellen Beziehung.