100×LIEBE

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Liebe Lovebirds,       

das Thema „Anerkennung“ ist eines, das bis heute meist unbeachtet geblieben ist. Dabei ist es von den Familien bis hin zur Politik, vom Privatverhältnis bis hin zu zwischenstaatlichen Beziehungen nicht wegzudenken. Umso erstaunlicher, dass es so wenig Forschung dazu gibt. Die Berliner Philosophin und Paartherapeutin Dr. Barbara Strohschein hat sich dieses Themas angenommen und ein grandioses Buch dazu geschrieben: „Die gekränkte Gesellschaft – Das Leiden an Entwertung und das Glück durch Anerkennung“. Ich kann es jedem ans Herz legen. Für uns hat Dr. Strohschein folgenden Beitrag verfasst, der gerade für ein Portal, das sich mit dem liebenden Leben beschäftigt, besonders wichtig ist.

 Liebe ist Frieden als Freiheit.

Euer Hans Christian Meiser.


 

Warum Kinder um die Anerkennung
der Eltern ringen

Gedanken der Expertin für Werte-Philosophie Dr. Barbara Strohschein

 

Kinder haben keine Macht. Kinder haben keine Wahl. Sie brauchen die Eltern und deren Anerkennung, um zu überleben. Anerkennung heißt in diesem Zusammenhang nicht etwa nur, dass die Eltern ihre Kinder lieben und loben. Erwachsene müssen sehen, fühlen, erkennen und sich dessen bewusst sein, dass ein Kind hilflos, abhängig und bedürftig ist. Die elterlichen Aktivitäten, durch die sich Anerkennung ausdrücken sollte, sind Fürsorge, Schutz, Liebe, Akzeptanz, Verständnis. Ist das nicht selbstverständlich, fragen Sie vielleicht? Leider nein. Auch wenn Eltern meinen, ihre Kinder zu lieben, heißt dies noch lange nicht, dass sie in der Lage sind, ihr Kind als eigenständiges Wesen zu erkennen und anzuerkennen. Wer sich mit der „Geschichte der Kindheit“ auseinandersetzt, also danach fragt, wie Kinder in den letzten Jahrhunderten bis heute großgeworden sind, kann nicht davon ausgehen, dass Elternliebe in diesem Sinne einfach so natürlich gegeben ist. Eltern haben oft selbst den Mangel an Anerkennung ihrer Eltern erlebt. Und sie geben das weiter, was sie einst erfuhren. Doch es gibt noch weitere Gründe, warum Kinder von ihren Eltern weder erkannt noch anerkannt werden: Sehr oft sind Eltern so mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht wahrnehmen, wer und wie ihre Kindern sind. Oder sie folgen staatlichen oder kirchlichen Direktiven, wie man mit Kindern umzugehen habe, ohne hinzuschauen, wer ihr Kind ist und was es braucht. Als weitere Erschwernis kommt dazu, dass Kinder sehr oft –  mit Liebe und ohne Liebe – als Störfaktoren erlebt werden. Sie „funktionieren“ nicht so, wie es von ihnen erwartet wird.

Wo und wie lernen Eltern, dass Kinder Anerkennung brauchen? Nirgends. Und was tun Kinder, um von ihren Eltern anerkannt zu werden? Sie nehmen es auf sich, zu Abladeplätzen für die ungelösten Probleme ihrer Eltern zu werden.

Viele Dramen der Weltgeschichte, in der Politik und in Familien lassen sich besser verstehen, wenn man hinter die Kulissen blickt und sieht, was die mangelnde elterliche Anerkennung auslösen kann: Wut, Enttäuschung, Karrieresucht, Egoismus. Der Konflikt ist grundmenschlich: Eltern wollen, dass ihre Kinder so sind, wie sie sich es wünschen. Unter diesem Erwartungsdruck laufen Eltern Gefahr, zu übersehen, dass ihre Kinder nicht ein Abklatsch von Vater oder Mutter sind, keinem Wunscherfüllungsprogramm entsprechen können, sondern Wesen mit einer eigenen Persönlichkeit sind. Es gehört viel dazu, sein Kind anzuerkennen: Selbsterkenntnis und -reflexion, Beobachtungsfähigkeit, Wahrnehmen und Ertragen von Unterschieden, die Fähigkeit, von sich selbst abzusehen und das Zurückstellen eigener Bedürfnisse um des Kindes willen. Und welche Mutter, welcher Vater kann das schon oder hat dies irgendwann und irgendwo gelernt? Wir haben es hier mit einem narzisstischen Problem zu tun, das weit mehr ein existentielles als ein pathologisches ist: Jeder Mensch braucht für seine Existenz und sein Selbstwertgefühl die Erfahrung, wahrgenommen zu werden.


 

 

P.S.

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