100×LIEBE

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Liebe Lovebirds,

kürzlich konntet Ihr an dieser Stelle einen Beitrag über „Honjok“, die koreanische Form des bewussten Single-Daseins, lesen. Nun folgt einer, der genauso die koreansiche wie auch unsere Gesellschaft anbelangt. Die Stilikone, Autorin und China-Expertin Nicole Roesler hat sich Gedanken über das gemacht, was immer mehr Menschen betrifft und womit immer mehr Teile unseres Gemeinwesens sich beschäftigen werden müssen. Egal aber, ob selbst gewählte oder coronabedingte, schicksalshafte Einsamkeit: Dieses Phänomen ergreift auch bei uns immer mehr Menschen, so dass schon der Ruf nach einem „Einsamkeitsministerium“ nach britischem Vorbild lauter wird. Wie man mit der Einsamkeit auch umgehen kann, darüber hat sich Nicole ihre Gedanken gemacht. Ihr lest sie hier.

Liebe ist Frieden als Freiheit.

Euer Hans Christian.


 

 

Geißel oder Glück

NICOLE ROESLER

 

Jeden Morgen alleine aufwachen. Jede Nacht einsam einschlafen. Nur das Kissen umarmen. Den Tag müssen wir in Isolation verbringen. Nicht einmal die Abwechslung eines Restaurantbesuchs, eines Kinoabends oder einer Theatervorstellung. Wir sind „gefangen“ in uns selbst, mit uns selbst. Das ist ein Gefühl von Absurdität und führt manche sensible Seele an den Rand des Abgrunds. Gerade jetzt, wo ganz Deutschland durch Corona gegeißelt und in die Isolation gezwungen ist. In der Bibel heißt es:

„Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“ 1.Mose 2:18

 

Bloß nicht über uns selbst nachdenken!

Wir sind Abwechslung gewöhnt. Soziale Kontakte tun uns gut. Sie sind wie Sauerstoff, der unsere Seele zum Atmen bringt. Unsere Herzen lächeln lässt. Letztlich auch, weil sie von uns selbst und unseren Problemen und Unzulänglichkeiten ablenken. Weil das Zusammensein mit Gleichgesinnten uns die Gewissheit gibt, gemocht zu werden. Weil wir so sind, wie wir sind. Sogar obwohl wir sind, wie wir sind. Das gibt uns Boden unter den Füßen, hüllt uns in eine warme Wolke der Zufriedenheit. Jetzt ist sie verschwunden, die tröstliche Nähe zu unserer Gesellschaft. Die kleinen hedonistischen Freuden eines gemeinsam genossenen Eisbechers in der Frühlingssonne. Ein Glas Wein auf die Freundschaft. Alles das ist nicht mehr möglich. Wir sind gezwungen, zu uns selbst zu kommen, Stille zuzulassen. Was macht das mit uns? Zunächst einmal ist da eine Leere, von der kein Nebengeräusch mehr ablenkt – außer dem permanenten „Bling Bling“ unseres Smartphones, das besonders in der aktuellen Situation keine Ruhe gibt! Aber macht uns das weniger einsam? Wird so emsig gepostet, um die Einsamkeit zu vertreiben?

 

Der Seelenquäler: Einzelhaft schafft Hirn- und Herzschmerz

Einsamkeit kann schmerzhaft sein, uns krank machen. In eine schwere Depression münden. An der Einsamkeit können wir zugrunde gehen wie eine Rose, die kein Wasser mehr bekommt. Heute sind viel zu viele Menschen einsam. Verzweifelt. Ausgehungert nach Nähe. Doch das ist ja nicht erst seit Corona so. Rund 17 Millionen Singles gab es im Jahr 2020 in Deutschland. Und das sind bei Weitem nicht nur alte Menschen. 44 Prozent sind Männer unter 49. Ob Mann oder Frau, alt oder jung, es ist nicht leicht, mit der Einsamkeit umzugehen. Sie nagt an unserer Seele, füttert uns mit Selbstzweifeln. Wir fühlen uns nicht geliebt, kommen aus dem Gedankenkarussell und den permanenten Selbstgesprächen nicht heraus. Das Schlimmste: die Angst, alleine zu bleiben bis an unser Lebensende. Einsam und alleine durch das letzte dunkle Tor zu gehen. Unbegleitet. Ohne Spuren hinterlassen zu haben. Ganz so, als hätten wir niemals existiert. Die Angst vor der Einsamkeit: Sie ist existentiell!

Warum aber fällt es uns so schwer, alleine zu sein? Brauchen wir sie so sehr, die Anerkennung durch die anderen? Die Ablenkungen von uns selbst? Können uns denn andere ersetzen, was in unserem Inneren fehlt? Wenn wir schon nicht mit uns selbst leben können, wie kann dann ein anderer mit uns glücklich sein?

 

Welcome Solitude – Genießt die Single-Party!

Sind wir denn nicht eigentlich immer alleine? Werden alleine geboren und sterben alleine. Jeder Baum steht doch auch für sich alleine. Bestenfalls von anderen umgeben. Aber doch immer für sich. Alleine sein und einsam sein sind zwei verschiedene Zustände. Alleine sein, gerade das selbst erwählte Mit-sich-Sein, ist oftmals das Wohltuendste, was wir erfahren. Wir dürfen tun, was wir wollen, denken, was uns in den Kopf kommt, können uns „gehen lassen“ und brauchen uns um nichts und niemanden außer uns selbst zu kümmern. Können Party mit uns selbst feiern.

 

Wenn die Sinnkrise einzieht

Doch nach einer Weile kommt die Leere, die Langeweile, das Bedürfnis nach der Nähe anderer, des einen geliebten Partners, der Familie oder einfach nur guter Gesellschaft. Wird sie uns nicht gewährt, dann werden wir einsam. Mit jedem Tag, jeder Stunde, jeder Minute welken wir ein bisschen mehr dahin, bis uns der Sinn des Lebens verschwimmt; bis wir fragen, warum wir sind, wer wir sind. Existentielle Fragen. Für die wir ausgerechnet die Antwort durch andere benötigen? Sind das nicht genau die Fragen, die wir in und durch die Einsamkeit beantworten können und sollen, um zu uns selbst zu finden?

 

Gemeinsam einsam … Bis zum Scheidungsrichter

Um einsam zu sein, muss man nicht alleine sein! Ist es nicht noch schlimmer, zu zweit oder gar in großer Gesellschaft einsam zu sein? Während der Corona-Krise ist in China die Anzahl der Scheidungen steil angestiegen. Da fehlte die Ablenkung von außen. Die Menschen mussten oft auf engstem Raum miteinander leben. Die vielfältigen Sorgen um das alltägliche Überleben, zu viel Nähe und zu wenig Alleinsein sind ebenso schwer zu ertragen wie die Einsamkeit. Wie die Unfähigkeit, Distanz zu überbrücken, schafft auch unsere mangelnde Fähigkeit zur Abgrenzung Konflikte. Letztlich manifestieren sich unsere Bewertungen in Gefühlen und werden schließlich zu Realität.

 

Der Jakobsweg zu sich selbst

Zu uns zu finden, Zeit für uns selbst zu haben, ist ein idealer Ansatzpunkt auf dem Weg zu einem glücklichen Lebensgefühl. Mit dem wir dann auch für andere Zeitgenossen wieder ein Geschenk sind: Wir werden zu jemand, mit dem man gerne Zeit verbringt. Nutzen wir also die Zeit des Alleinseins. Ob selbst gewählt oder vom Schicksal verordnet – finden wir zu uns und zum Kern der Wahrheit und des Glücks, das in allen von uns keimt! Zelebrieren wir die Zeit mit uns alleine. So wie wir sie auch in Gesellschaft genießen. In allem steckt der Sinn, den WIR ihm geben … Haben wir also keine Angst, den „Jakobsweg“ zu uns selbst und nur mit uns selbst zu gehen. Wenn wir die Zeit richtig nutzen, kommen wir mit den richtigen Gedanken und Gefühlen zu unserem Glück. Dann kommen das Leben und die Gesellschaft wie von selbst zu uns zurück!


P.S.

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